„Tribune“ New York City, 10. Mai 1891
(Anonym)
Madame Blavatsky
12. Aug. 1831 - 8. Mai 1891
Wenige Frauen unserer Zeit sind hartnäckiger falsch dargestellt, verleumdet und verunglimpft worden als Madame Blavatsky; aber obwohl Böswilligkeit und Unwissenheit ihr arg zusetzten, gibt es eine Fülle von Anzeichen, dass ihr Lebenswerk sich selbst rechtfertigen, überdauern und für das Gute wirken wird. Sie begründete die Theosophische Gesellschaft, eine inzwischen gut ausgebaute Organisation mit Zweigniederlassungen in vielen Ländern des Ostens und Westens. Nahezu zwanzig Jahre lang widmete sie sich der Verbreitung einer Lehre, deren grundlegende Prinzipien einen hohen ethischen Charakter aufweisen.
Madame Blavatsky vertrat die Meinung, dass sich die Erneuerung der Menschheit auf die Entwicklung von Altruismus gründen müsse. Mit diesem Gedanken stand sie auf gleicher Ebene mit den größten Denkern aller Zeiten.
Auch in anderer Richtung leistete sie wesentliche Arbeit. Niemand dieser Generation hat sich stärker dafür eingesetzt, die lange verschlossenen Schätze der Weisheit des Ostens wieder zugänglich zu machen. Gewiss hat sich niemand wie sie so sehr darum bemüht, die tiefgründige Weisheitsreligion zu erläutern und die uralten literarischen Werke des Orients ans Licht zu bringen, deren Weite und Tiefe die westliche Welt in Erstaunen versetzten. Ihre eigenen Kenntnisse der orientalischen Philosophie und Esoterik waren umfassend. Kein aufrichtiger Geist kann dies nach Lektüre ihrer Hauptwerke bezweifeln. Der Ton und die Tendenz ihrer Schriften zeigten sich kraftvoll, erfrischend und anregend. Die Lektion, die sie unablässig betonte, war mit Sicherheit diejenige, derer die Welt am meisten bedurfte und immer bedürfen wird, nämlich die Notwendigkeit, das eigene Selbst zu unterwerfen und für andere zu arbeiten.
Das Werk von Madame Blavatsky hat bereits Früchte getragen und ist dazu bestimmt, in Zukunft noch bemerkenswertere und heilsamere Wirkungen hervorzubringen. Auf diese Weise hat Madame Blavatsky die Zeit geprägt, und ihre Werke werden ihr folgen. Der Tag wird kommen, an dem die Erhabenheit und Reinheit ihrer Ziele, die Weisheit und das Ausmaß ihrer Lehren wirklich erkannt werden. In einer späteren Würdigung wird ihr die Ehre zuteilwerden, die ihr zu Recht gebührt.